Sollte der Deutschunterricht vielfältig, kreativ und bereichernd sein? Sind Lektüren im Unterricht eine Hilfe für Schüler*innen und wird so ihr Horizont erweitert? „tschick“ ist eine der typischsten Lektüren, die man am Gymnasium liest. Sie erzählt von zwei Jungs, die beide vielseitige Probleme haben, jedoch zusammen ihre Stärke ineinander finden. Ist so ein Buch passend für die Schule? Diese und noch mehr Unklarheiten werde ich im Folgendem diskutieren.
Zunächst werden im Buch viele Straftaten beschrieben und diese könnten für die jungen Köpfe unserer Gesellschaft zur Nachahmung reizen. Oft sind Jugendliche an verbotenen Handlungen interessiert. Das fällt mir auf, wenn ich mit meinen Mitschülern über solche Dinge rede. Das Gefühl des Rebellierens löst im Jugendlichen oft eine Spannung aus, die auch oft genossen wird.
Auch kommen in diesem Buch oft rassistische Kommentare und Beschreibungen vor („Schlitzaugen“). Diese können für Jugendliche einen gewissen Eindruck hinterlassen. Möglicherweise denken sie, dass solche Beleidigungen in Ordnung sind und verstehen nicht, was diskriminierend daran ist. Beobachtet man, was auf Social-Media-Plattformen passiert, merkt man, wie Jugendliche von anderen enorm beeinflusst werden können. Das Gehirn junger Menschen ist noch nicht völlig geformt und es ist besonders bei ihnen wichtig, die richtigen und moralischen Werte aufzugreifen und weiterzugeben, damit sie so ein Leben als guter Mensch gestalten können.
Hinzufügend ist auch die Sprache in der Lektüre nicht immer grammatikalisch korrekt und kann sich so auf die schulische Leistung der Leser*innen auswirken. Denn wenn man etwas Gedrucktes in einem Buch stehen sieht, denkt man gar nicht daran, dass es falsch sein könnte und gibt den Fehler möglicherweise in einer Klassenarbeit wieder. Sollte ein Buch Schüler*innen wahrhaftig eine falsche Verwendung der deutschen Sprache beibringen?
Ausschlagegebend ist auch die Gewalt, die in „tschick“ normalisiert wird. Oft kommen die Jugendlichen Protagonisten in Kontakt mit Waffen oder Schlägen. Sollen erwachsen werdende Kinder denken, dass Gewalt zu Hause und außerhalb, normal und angemessen ist? Jugendliche können in diesem empfindlichen Alter in fatale Hände gelangen und sollten dadurch stets wissen, dass Gewalt niemals normalisiert werden sollte.
Auch wenn durch diese Argumente deutlich gezeigt wurde, dass „tschick“ zum Lesen im Gymnasium unpassend ist, gibt es auch viele Argumente, die das Gegenteil beweisen.
Zunächst wird die Freundschaft zweier unglaublich unterschiedlicher Jungen gezeigt und dies bringt Jugendlichen bei, offen zu neuen, unbekannten Dingen zu sein. Auch merke ich selber, wie geschlossen das menschliche Gehirn sein kann, zum Beispiel bei neuem Essen. Auch ich komme ungern aus der geschützten, bekannten Bucht heraus, jedoch weiß ich, wie wundervoll es sein kann, neuen Dingen und Leuten zu begegnen.
Zudem wird in dem Buch gezeigt, dass jeder Mensch seine Probleme hat und dass man wirklich niemals alleine damit ist. Oft fühlen sich Jugendliche von ihren Problemen überfordert und allein gelassen. Selber merke ich auch, wie der Schulstress einen ziemlich verwirren und verzweifeln lassen kann. Deshalb ist es von enormer Wichtigkeit, dass Jugendlichen gezeigt wird, dass alle mit verschiedensten Problemen kämpfen müssen und man nicht einsam ist.
Anknüpfend dazu ist es noch wichtiger, dass die Charaktere realistisch geschrieben sind. Dadurch, dass gezeigt wird, wie sehr die zwei Protagonisten innerlich kämpfen, hatte auch ich das Gefühl der Verbindung mit ihnen und man konnte mit ihnen mitfühlen, weil man sie verstand und sie verstanden dich. Verständnis ist unglaublich wichtig für Jugendliche, um sich nicht verlassen zu fühlen und ein Gefühl der Zugehörigkeit zu haben.
Entscheidend sind auch die Emotionen, die in diesem Buch geteilt werden. Es ist, als würde man in den Kopf eines Jugendlichen schauen. Durch die emotionale Freundschaft der Hauptfiguren, wird Jugendlichen beigebracht, was wahrhaftige, bestehende Freundschaften sind. Auch der Aspekt des Findens seiner eigenen Sexualität wird gezeigt und auch wie schwierig es ist, sich zu öffnen. Jedoch gelang genau das den zwei Hauptcharakteren. Dadurch fühlt man sich geborgen, sicher und trägt ein Gefühl der Freiheit mit sich, solange man dieses Buch liest. Ich war an vielen Stellen berührt davon, wie schnell diese zwei Jungen so eng aneinanderwuchsen. Wie schnell ihre Herzen sich verbunden haben. Wie schnell sie einander helfen und verstehen konnten. Für mich ist das wahre Freundschaft und eine gute Lehre, die an Jugendliche weitergegeben werden soll.
Am wichtigsten ist jedoch, wie die Reise der beiden Freunde beschrieben wird. Wie sie es schaffen, für ein paar Tage aus ihren Problemen aufzutauchen und Spaß zu haben. Die letzte Zeile des Buches besagt: „Weil, man kann zwar nicht ewig die Luft anhalten. Aber doch ziemlich lange.“ (S.245). Ich finde diese Phrase beschreibt das Buch fehlerlos und vollendet. Es wird durch das Buch klargemacht, dass die zwei Jungen, aus ihrem Leben abtauchen wollen. Jedoch merken sie am Ende, dass sie ihr normales Leben weiterleben müssen und trotzdem ab und zu abtauchen dürfen. Denn die Zeit, die die beiden Freunde miteinander verbrachten, hielt nicht ewig, jedoch war sie für beide unglaublich bereichernd und lange genug, um ein gemeinsames Vertrauen aufzubauen. Abtauchen wollen auch Jugendliche ständig. Den Stress hinter sich lassen und Zeit genießen. Selber bin ich auch oft überwältigt und genieße die kurze Zeit, in der ich mit meinen Freunden abtauchen kann. Dieses Buch bringt einem so perfekt bei, wie lange man abtauchen darf. Jedoch auch, dass man wieder zurück in die reale Welt muss und sich seinen Ängsten und Problemen stellen muss.
Nach dieser ausführlichen Analyse ist für mich klar, dass dieses Buch auf jeder Schule gelesen werden muss. Die Emotionen und das Denken werden von Jugendlichen, die dieses Buch lesen, unglaublich bereichert. Diese Lektüre versteckt eine unglaubliche Tiefe, die mich beim Lesen auch beeindruckt und inspiriert hat. Ich finde, jeder Mensch sollte leben, wie die zwei vertrauten Jungen und lernen, zu lieben. Denn durch die Liebe zu und mit anderen, fühlen sich die eigenen Probleme schon viel unbedeutender an.
Von Nora Stamatolopoulou